Dieser
Text ist eine Zusammenfassung der Logik der Forschung. Die Gliederung des Textes
entspricht dem Originaltext.
Die Aufgabe der
Forschungslogik ist es, die emprisch-wissenschaftliche
Forschungsmethode einer logischen Analyse zu unterziehen.
1) Das Problem der Induktion
Das Induktionsproblem dreht sich um die Frage, ob induktive Schlüsse berechtigt sind.
Erster Vorschlag: Forschungslogik = Induktionslogik.
Ein Induktionsschluss ist der Schluss von besonderen Sätzen auf allgemeine Sätze. Auf ihm beruht die Verallgmeinerung einer Beobachung bzw. eines Experiments zu einer Hypothese bzw. einer Theorie. Die Frage nach der Geltung von Naturgesetzen beinhaltet auch die Frage nach der Berechtigung des induktiven Schließens.
Ein Induktionsprinzip ist nun ein Prinzip, dass diese Berechtigung herstellt. Dies kann aber kein analytischer Satz sein, sonst wäre das Induktionsproblem auch deduktiv lösbar. Es bleibt aber die Frage, ob sich ein solches Induktionsprinzip zumindest rechtfertigen ließe.
Ein Induktionsprinzip muss allgemein gültig sein, denn sonst gelangt man in einen unendlichen Regress: es bedürfte wieder eines Prinzips vom besonderen aufs allgemeine.
Vorschlag:
Induktionsschlüsse = Wahrscheinlichkeitsschlüsse?
Dann wäre aber das Induktionsprinzip selbst ebenfalls nur wahrscheinlich und
nicht wahr. Wahrscheinlichkeitlogik führt also zu einem unendlichen Regress
oder zum Apriorismus.
Die Poppersche Auffassung
will dem nun eine Lehre der deduktiven Methode der Nachprüfung
gegenüberstellen.
2) Ausschaltung des Psychologismus
In der Erkenntnislogik interessiert nicht die Frage, wie jemand zu einer
These gelangt, sondern nur, warum eine These gelten soll
(Geltungsfragen). Es soll lediglich die Methode der systematischen
Überprüfung untersucht werden.
3) Die deduktive Prüfung der Theorien
Eine deduktive Prüfung einer Theorie kann in vier Richtungen erfolgen:
logischer Vergleich der Folgerungen (Prüfung auf Widerspruchslosigkeit)
Untersuchung der logischen Form (Prüfung auf logische Wahrheit/Falschheit: ist die Theorie empirisch-wissenschaftlich?)
Vergleich mit anderen Theorien (Prüfung, welche Theorie mehr Vorhersagen erlaubt, etc.)
emprische Anwendung (Prüfung, ob sich die Theorie in der Praxis bewährt)
Verifikation bedeutet, dass eine Prüfung vorläufig bestanden ist und kein Grund besteht, die Theorie zu verwerfen.
Falsifiaktion liegt vor, wenn eine Prüfung nicht bestanden
wurde. Diese trifft dann das ganze System, aus dem die Folgerung
hervorging.
4) Das Abgrenzungsproblem
Ein Abgrenzungskriterium ist das Kennzeichen des empirischen,
nichtmetaphysischen Charakters eines theoretischen Systems. Es soll
ermöglichen, empirische Wissenschaften von Mathematik, Logik und Metahpyhsik
abzugrenzen.
Das Abgrenzungsproblem ist der Versuch, ein Abgrenzungskriterium zu finden.
Die induktive Methode krankt dararn, dass es in dieser kein Abgrenzungskriterium gibt. Sie muss darum abgelehnt werden. Der Vorschlag des Positivismus, empirsche von nichtemprischen Sätzen dadurch zu unterscheiden, dass nur erstere auf Wahrnehmungsurteile oder Protokollsätze zurückzuführen sind, ist in Wahrheit mit der Induktionslogik identisch. Der Positivismus vertritt eine naturalistische Auffassung: der Unterschied zwischen Erfahrungswissenschaften und Metaphysik bestehe von Natur aus. Ihm geht es eigentlich nicht um Abgrenzung, sondern um Überwindung der Metaphysik (metaphysische Sätze seien keine sinnvollen Sätze).
Da Naturgesetze in ihrer Allgemeinheit gar nicht logisch auf elementare Erfahrugnssätze zurückführbar sind, vernichtet der radikale Positivismus mit der Metaphysik auch die Naturwissenschaft.
Zugegeben sei, dass die Festsetzung des Abgrenzungskriteriums einen Zweck erfordert, und die Festsetzung dieses Zwecks zwangsläufig durch Wertschätzung geleitet ist.
5) Erfahrung als Methode
Es gibt unendlich viele "logische Welten", die empirischen Wissenschaften sollen sich aber nur mit der einen "wirklichen Welt" befassen.
Drei Forderungen sind an eine emprisches Theoriensystem zu stellen: Es muss
synthetisch sein
einem Abgrenzungskriterium genügen, also nicht metaphysisch sein
ausgezeichnet sein (indem es unsere Erfahrungswelt darstellt; die
Auszeichnung soll auf dem Weg der Nachprüfung erfolgen.)
6)
Falsifizierbarkeit als Abgrenzungskriterium
Ein induktionslogische Abgrenzungskriterium würde erfordern, dass alle
empirisch-wissenschaftlichen Sätze endgültig entscheidbar
wären, d. h., dass sowohl ihre Verifikation als auch ihre Falsifikation
logisch möglich seien.
Theorien sind niemals endgültig emprisch verifizierbar. Daher soll nicht gefordert werden, dass Thoriesysteme endgültig positiv ausgezeichnet werden sollen, sondern negativ ausgezeichnet werden sollen: Ein emprisch-wissenschaftliches System muss an der Erfahrung scheitern können.
Es besteht eine Asymmetrie zwischen Falsifikation und Verifikation. Falsifikation ermöglicht keine Einwände, wie sie gegen das induktivistische Abgrenzungskriterium erhoben wurden.
Einwand: Theoriesysteme können auch niemals endgültig falsifiziert werden. Eine Falsifikation kann immer durch ad-hoc-Annahmen entkräftet werden.
Die emprische Methode wird sich aber als Ausschluß gewisser logischer Verfahren erweisen, mit dem Ziel, das relativ haltbarste auszuwählen.
Die Methode der Falsifikation setzt keine induktiven Schlüsse voraus.
7) Das
Problem der Erfahrungsgrundlage
Es muss besondere emprische Obersätze (Basissätze) geben, die
unter den Prämissen einer Falsifikation vorkommen.
Einwand: wird hierdurch
das Abgrenzungskriterium auf die Frage nach dem emprischen Charakter dieser
besonderen Sätze verschoben?
Antwort: Es spielt in der wissenschaftlichen Forschungspraxis keine große
Rolle, was dieser emprische Charakter ist. Anders als bei Theorien taucht
selten das Problem auf, ein besonderer Satz sei metaphysisch.
Die Beziehung zwischen Basissätzen und Wahrnehmungserlebnissen muss
untersucht werden, denn es besteht das Problem, dass Sätze nur durch
Sätze logisch begründet werden können.
8)
Wissenschaftliche Objektivität und subjektive Überzeugung
Objektive Begründungen müssen grundsätzlich von jedermann
nachgeprüft und eingesehen werden können. Die Objektivität
wissenschaftlicher Sätze besteht in ihrer intersubjektiven
Nachprüfbarkeit (das Kriterium der Reproduzierbarkeit etwa gehört
hierher.) Die These, dass es in der Natur nicht-wiederholbare, einzigartige
Vorgänge gebe, kann in der Wissenschaft nicht nachgeprüft werden und ist
somit metaphysisch.
Wahrnehmungssätze sind psychologische Aussagen und beim bisherigen Stand der Wissenschaft nicht intersubjektiv nachprüfbar. Basissätze sollen aber intersubjektiv nachprüfbar sein.
Es gibt also keine absolut letzten Sätze, also solche, die nicht mehr durch Falsifikation ihrer Folgesätze falsifiziert werden können. Nun könnte ein Einwand lauten, dass dies zu einem unendlichen Regress des intersubjektiven Nachprüfens führt, da aber Sätze gar nicht begründet werden sollen, kommt der Regress nicht zustande.
Eine Nachprüfung lässt sich zwar nicht ad infinitum fortsetzen, doch wird nicht die Nachprüfung aller Sätze verlangt, sondern nur ihre Nachprüfbarkeit.
9) Die Unentbehrlichkeit methodologischer Festsetzung
Eine rein logische Analyse der Systeme nimmt auf deren Wechsel und Entwicklung keine Rücksicht. Eine solche Analyse ist notwendig, kann aber die Eigentümlichkeiten der empirischen Wissenschaften nicht erfassen.
Forderung: Empirische Wissenschaften sollten durch ihre Methode gekennzeichnet sein, d. h. durch Normen, nach denen sich der Forscher richten soll.
10) Die "naturalistische Auffassung" der Methodenlehre
Der Positivismus lehnt jede Erkenntnistheorie oder Methodenlehre ab, da es nach ihm keine sinnvollen Probleme außerhalb der emprischen Wisenschaften und Logik gibt. Er betrachtet diese als Scheinprobleme. Erfahrung ist für den Positivisten Programm, nicht Problem.
Die
naturalistische Auffassung der Positivisten hält die Methodenlehre
für eine empirische Wissenschaft. Es ist eine Frage der Festsetzung, was man
als Wissenschaft gelten lassen will. Die Festsetzungen des Positivismus sind
allerdings unkritisch und dogmatisch (hinsichtlich Wissenschaftsbegriff und
Sinnkriterium).
11)
Die methodologischen Regeln als Festsetzung
Methodologische Regeln können als Spielregeln des Spiels "emprische
Wissenschaften" verstanden werden. In diesem Sinne ist die Untersuchung der
Regeln des Wissensspiels eine Logik der Forschung.
Erfahrungswissenschaften sollten durch methodologische Regeln definiert werden (ähnlich eines Schachspiels), mit dem Ziel, ein Abgrenzungskriterium anzugeben. Der Einwand: "Fragen der Erkenntnistheorie können nicht systematisch behandelt werden" soll als unberechtigt zurückgewiesen werden.
Die Frage, ob eine solche methodologische Untersuchung überhaupt philosophisch genannt werden kann, ist nicht wichtig. Die Forderung nach wissenschaftlicher Objektivität ist aber selbst eine methodische Regel und in dieser Weise können wohl die meisten philosophischen Probleme in methodologische Fragen umgedeutet werden.
Erfahrungswissenschaften sind Theoriensysteme, insbesondere
Zeichensysteme. Darum kann die Erkenntnislogik die Theorie der
Theorien genannt werden.
12) Kausalität,
Erklärung, Prognosededuktion
Eine kausale Erklärung ist eine deduktive Ableitung eines
Satzes aus Gesetzen und Randbedingungen.
Zwei verschiedene Arten von Sätzen können unterschieden werden:
allgemeine Sätze: das sind Hypothesen und Naturgesetze
besondere Sätze: sie charakterisieren Randbedingungen.
Aus allgemeinen Sätzen werden mit Hilfe von Randbedingungen weitere besondere Sätze deduziert: die Prognosen.
Eine zu vermeidende Ausdrucksweise nennt die Randbedinugnen auch Ursachen und die Prognosen Wirkung. Es soll im weiteren kein allgemeiner Satz über die Methode des Erklärens aufgestellt werden (etwa ein Kausalprinzip). Ein solcher Kausalsatz ist da, wo er kausale Erklärung als möglich behauptet, analytisch und somit tautologisch, da, wo er sie als notwendig voraussetzt uns somit annimmt, die Welt sei von strengen Gesetzen beherrscht, synthetisch, jedoch nicht falsifizierbar. Damit muss ein solcher Satz als metaphysisch in der Wissenschaft zurückgewiesen werden.
Statt eines Kausalprinzips soll nun eine einfache methodische Regel
aufgestellt werden, die fordert, dass das Suchen nach Gesetzen nach einem
einheitlichen Theoriensystem nicht eingestellt werden soll.
13)
Spezifische und numerische Allgemeinheit von Sätzen
Synthetische Sätze können unterschieden werden in:
spezifisch-allgemeine Sätze: sie entsprechen dem, was bislang allgemein geannt wurde; darunter sind auch sogenannte Allsätze begriffen, das sind Aussagen über unbegrenzt viele Elemente. Es ist zweckmäßig, alle Naturgesetze von dieser Art anzusehen.
numerisch-allgemeine Sätze: sind mit besonderen Sätzen äquivalent oder eine endliche Konjunktion von besonderen Sätzen. Sie beziehen sich nur auf eine endliche Klasse von Elementen eines individuellen Raum-Zeit-Bereichs, nicht auf alle Raum-Zeit-Gebiete. Numerisch-allgemeine Sätze sind somit gar keine allgemeine, sondern besondere Sätze.
Schlüsse von besonderen Sätze auf numerisch-allgemeine Sätze sind
zulässig, doch diese sind keine Induktionsschlüsse.
14) Universalien und Individualien
Die Unterscheidung zwischen allgemeinen und besonderen Sätzen hängt eng zusammen mit der Unterscheidung von Universal- und Individualbegriffen (Universalien und Indiviudalien).
Individualien sind dadurch charakterisiert, dass sie selbst Eigennamen sind oder dass zu ihrer Definition Eigennamen unentbehrlich sind. Universalien müssen dagegen ohne Verwendung von Eigennamen definiert werden können (Eigennamen müssen eliminierbar sein).
Besondere Sätze müssen Individualien beinhalten, darunter sind auch Ausdrücke zu verstehen wie "dieser hier" oder hinweisende Gesten (Zeichen).
Individuen können nicht durch universelle Eingeschaften und Beziehungen gekennzeichnet werden, ebensowenig können Universalien mittels Individualien definiert werden.
Die Unterscheidung zwischen Universalien und Indiviudalien hat mit der
Unterscheidung zwischen Klasse und Element nichts zu tun. Sie können sowohl
als Klasse als auch als Element auftreten.
15) Allsätze und universelle Es-gibt-Sätze
Allgemeine Sätze sind noch nicht dadurch hinreichend charakterisiert, dass in ihnen keine Individualien auftreten. Sätze, in denen nur Universalien auftreten, heißen universelle Sätze, unter diesen heißen Sätze der Form "Es gibt einen schwarzen Raben." universelle Es-gibt-Sätze (in Abgrenzung zu den oben erwähnten Allsätzen)
Naturgesetze können als Verbote aufgefasst werden: Sie behaupten nicht, dass etwas existiert, sondern dass etwas nicht existiert. Allsätze sind falsifizierbar. Universelle Es-gibt-Sätze sind dagegen nicht falsifizierbar, da eine Suche nie als abgeschlossen gelten kann. daher müssen sie als metaphysisch in der Wissenschaft zurückgewiesen werden. Dass dies zweckmäßig ist, wird die Theorie der Wahrscheinlichkeitsaussagen zeigen.
Wird die Existenz eines Dings nachgewiesen, kann dadeurch ein
universeller Es-gibt-Satz verifiziert werden bzw. ein Allsatz falsifiziert
werden. Auf der logischen Ebene herrscht zwischen Verifikation und
Falsifikation Symmetrie. Die Asymmtrie kommt erst durch das
Abgrenzungskriterium zustande.
16) Theoretische Systeme
Die Einführung einer neuen Voraussetzung in ein theoretisches System ist als Revision des Systems zu bezeichnen.
Zur Darstellung eines theoretischen Systems soll eine streng systematische Form eingehalten werden, die Axiomatik. Darin sollen sämtliche Voraussetzungen Axiome zugrundegelegt, so, dass sämtliche übrigen Sätze aus ihnen durch rein logische Umformung abgeleitet werden können. Innerhalb des Theoriensystems ist ein Axiom ein nichtableitbarer Grundsatz. Ein Gebiet ist die Menge aller ableitbaren Sätze innerhalb des theoretischen Systems.
Ein theoretisches System ist axiomatisiert, wenn das System der Axiome
widerspruchsfrei ist, somit nicht beliebige Sätze aus dem Axiomensystem ableitbar sind,
unabhängig ist, also keine Aussage enthält, die aus den übrigen Axiomen ableitbar ist,
hinreichend ist zur Deduktion des Gebietes und
notwendig ist, also nichts enthält, was nicht zur Ableitung des Gebietes notwendig wäre.
Eine Untersuchung der Abhängigkeitsverhältnisse kann zeigen, ob ein
Teilsystem des Gebietes aus einem Teilsystem der Axiome ableitbar ist.
Dies erlaubt herauszufinden, ob durch Falsifikation eines Folgesatzes unter
Umständen nicht das ganze Gebiet falsifiziert ist.
17) Deutungsmöglichkeiten eines axiomatischen Systems
Die Forderung, dass Axiome einleuchtend oder selbstverständlich sein müssten, wird abgelehnt. Zwei verschiedene Interpretationen eines axiomatischen Systems sind zulässig:
Axiome sind Festsetzungen: sie legen den Gebrauch der in ihnen auftretenden Begriff fest. Ein Axiom ist somit eine implizite Defintion der in ihnen auftretenden Begriffe. Jedes das Axiomensystem befriedigende Begriffssystem kann als Modell des Axiomensystems gelten.
Axiome sind emprisch-wissenschaftliche Hypothesen: Die in
einem Axiomensystem auftretenden Zeichen sind ausserlogische
Konstanten (aufgrund einer Zuordnungsdefinition).
Durch Hinweis auf wirkliche Gegenstände kann aber nur der Gebrauch von
Individualien festgelegt werden, die Begriffe, die dem Axiomensystem
zugeordnet werden sollen, sind aber Universalien. Es ist daher
unvermeidlich, gewisse Universalien undefiniert zu lassen.
18) Allgemeinheitsstufen. Der "modus tollens"
Innerhalb eines theoretischen Systems können die Sätze in verschiedene Allgemeinheitsstufen unterschieden werden. Axiome sind die allgemeinsten Sätze. Auch weniger allgemeine Sätze bleiben aber im obigen Sinne "allgemeine Sätze".
Ist ein Satzsystem t gegeben, außerdem ein Folgesatz p, so kann aufgrund des Ableitbarkeitsverhältnisses t®p aus der Annahme Øp auf Øt geschlossen werden, t ist somit falsifiziert. (Der Schluss lautet: [(t®p)&Øp®Øt]). Durch diese Schlussweise wurde das ganze Satzsystem, also sowohl Theorie als auch alle Randbednigungen falsifiziert. Nur wenn p von einem Teilsystem unabhängig ist, ist dieses Teilsystem von der Falsifikation nicht betroffen.
Hat sich ein System bewährt und wird eine Verallgemeinerung (ein übergeordnetes System, dass das alte System als Teilsystem enthält) probiert, diese aber falsifiziert, so wird man eine andere Verallgemeinerung ausprobieren müssen.
19) Die konventionalistischen Einwände
Im Gegensatz zu Kants transzendentalen Idealismus versucht der Konventionalismus die Gesetzmäßigkeit der Welt als Erfindung des Verstandes und somit nicht als Ausdruck von Vernunftgesetzen anzusehen. Für den Konventionalisten sind Naturgesetze nicht falsifizierbar, da die Naturgesezte erst bestimmen, was eine Beobachtung ist. Der Konversationalismus ist haltbar, vertritt aber einen anderen Wissenschaftsbegriff und eine andere Zielsetzung.
Der Konventionalismus erhebt vier Einwände gegen das hier vorgestellte Abgrenzungskriterium. Theoretische Systeme sind nicht falsifizierbar, da
Ad-Hoc-Hypothesen zu ihrer Stützung eingeführt werden können,
die Zuordnungsdefinitionen abgeändert werden können,
Vorbehalte gegen die Verlässlichkeit des Experimentators, bzw.
Vorbehalte gegen den Scharfsinn des Theoretikers vorgebracht werden können.
Falsifizierbarkeit wäre demnach kein geeignetes Abgrenzungskriterium.
20) Methodologische Regeln
Zwar kann das Abgrenzungskriterium nicht ohne weiteres auf Systeme von Sätzen angewandt werden. Doch eine geeignete Methode erlaubt es, dem Konventionalismus zu entgehen. Etwa folgende Regeln können die obigen Einwände entkräften:
Hilfshypothesen sollen etwa nur dann eingeführt werden, wenn hierdruch der Falsifizierbarkeitsgrad des Systems nicht herabgesetzt, sondern gesteigert wird, d. h., es wird mehr verboten. (Bsp. Pauliverbot ist in diesem Sinne zulässig, Lorentz-Fitzgeraldsche Kontraktionshypothese nicht.) Singuläre Annahmen sind dagegen als Hilfshypothese unbedenklich (etwa die Annahme, dass eine nicht reproduzierbare Beobachtung ein Beobachtungsfehler war).
Undefinierte Universalien können (a) nur in Sätzen höchster Allgemeinheitsstufe auftreten und durch ihr logisches Verhältnis zu anderen Begriffen bestimmt sein, (b) auch in Sätzen niedriger Allgemeinheitsstufe auftreten und durch den Sprachgebrauch festgelegt sein. Unkontrollierte Änderungen der Verwendungsweise sind verboten.
Intersubjektiv nachprüfbare Effekte werden entweder anerkannt oder es werden Gegenexperimente angestellt.
Berufung auf künftig zu entdeckende Ableitungen werden
nicht beachtet.
21) Logische Untersuchungen der Falsifizierbarkeit
Falsifizierbarkeit ist eine logische Beziehung zwischen einer Theorie und ihren Bassissätzen.
Ein System von Basissätzen enthält alle nichtwiderspruchsvollen besonderen Sätze einer gewissen Form, nicht bloss die anerkannten Sätze. Es enthält auch Sätze, die sich gegenseitig widersprechen.
Zur Deduktion besonderer Sätze aus einer Theorie müssen immer besondere Sätze (Randbedingungen) substituiert werden. Aus besonderen Sätzen lassen sich unter Umständen auch ohne eine Theorie andere besondere Sätze ableiten. Eine empirische Theorie muss daher mehr besondere emprische Sätze ableiten können, als es aus den Randbedingungen alleine möglich wäre.
Eine Theorie heißt empirisch bzw. falsifizierbar, wenn sie
die Klasse aller überhaupt möglichen Basissätze eindeutig in zwei nichtleere
Teilklassen zerlegt: diejenigen Basissätze mit denen die Theorie in
Widerspruch steht, ist die Klasse der Falsifikationsmöglichkeiten.
Über die Klasse der erlaubten Basissätze wird nichts ausgesagt (nicht deren
Wahrheit behauptet).
22) Falsifizierbarkeit und Falsifikation
Falsifizierbarkeit ist ein empirisches Kriterium des empirischen Charakters von Satzsystemen. Wann ein System als falsifiziert anzusehen ist, muss durch eigene Regeln bestimmt werden.
Gilt eine Theorie als falsifiziert, so muss sie anerkannten Basissätzen widersprechen. Andererseits folgt aus einem Widerspruch noch nicht die Falsifkation der Theorie (etwa bei besonderen Sätzen, die nichtreprodzuierbare Ereignisse bezeichnen).
Eine Theorie soll durch Auffindung widerlegender Effekte falsifiziert werden. Eine diesen Effekt beschreibende Hypothese von niedriger Allgemeinheitsstufe wird falsifizierende Hypothese genannt.
Anerkannte Basissäzte sind die Grundlage für die Bewährung von
Hypothesen.
23) "Ereignis" und "Vorgang"
Ein Basissatz stellt ein (singuläres) Ereignis dar. Zwei äquivalente Basissätze stellen dasselbe Ereignis dar. Daher kann man ein Ereignis Pk als die Klasse aller mit einem (das Ereignis beschreibende) Basissatz pk äquivalente Sätze definieren. "Das Ereignis Pk tritt ein" ist also äquivalent zu "pk und alle mit pk äquivalenten Sätze sind wahr."
Ein Vorgang ist dasjenige, was an einem Ereignis typisch und universell ist (was an ihm mit Universalien beschrieben werden kann). Ein Vorgang P lässt sich definieren als die Klasse aller Ereignisse Pk, Pl, ... die sich nur durch die Verschiedenheit der Individualien unterscheiden.
Eine empirische Theorie verbietet nicht bloss ein Ereignis, sondern immer mindestens einen Vorgang.
Jeder universelle Es-gibt-Satz behauptet die Existenz eines Vorgangs. Die
Klasse seiner Falsifkationsmöglichkeiten ist leer. Aus jedem Basissatz folgt
ein universeller Es-gibt-Satz, doch dies ist kein Argument für dessen
emprischen Charakter (auch Tautologien sind aus Basissätzen ableitbar).
24) Falsifizierbarkeit und Widerspruchslosigkeit
Widerspruchslosigkeit ist die oberste axiomatische Grundforderung. Ein widerspruchsfreies System teilt die Menge aller möglichen Sätze in solche, denen es widerspricht und solche, mit denen es vereinbar ist.
Satzsysteme, die der Bedingung der
Widerspruchslosigkeit nicht genügen, zeichnen aus der Menge aller
überhaupt möglichen Sätze keine Sätze aus.
Satzsysteme, die der Bedingung der Falsifizierbarkeit nicht
genügen, zeichnen aus der Menge aller Basissätze keine Sätze
aus.
25) Erlebnisse als Basis (Psychologismus)
Die Ansicht, dass die Erfahrungswissenschaften auf Sinneswahrnehmungen und Erlebnisse zurückführbar seien, wird mit der Induktionslogik abgelehnt.
Will man Sätze nicht dogmatisch einführen, muss man sie begründen. Eine logische Begründung ist aber eine Zurückführung auf andere Sätze. Dies führt zum Friesschen Trilemma:
Positivistische Erkenntnistheorie: nur Wahrnehmungserlebnisse können die
Erkenntnisquelle der Erfahrungswissenschaften sein. Wissenschaft ist hier
der Versuch, die Überzeugungserlebnisse zu ordnen und zu beschreiben. Diese
Auffassung scheitert am Induktionsproblem und auch am
Universalienproblem: jeder Satz hat den Charakter einer Hypothese,
da in ihm Universalien enthalten sind, die nicht bestimmten Erlebnissen
zugeordnet werden können.
26) Über die sogenannten "Protokollsätze"
Protokollsätze sind Sätze, die Erlebnisse darstellen.
Reininger: Sätze können nur mit Sätzen verglichen werden.
Carnap: Philosophische Untersuchungen sprechen "von den Formen der Sprache".
Wissenschaftslogik untersucht die "Formen der Wissenschaftssprache", sie
spricht nicht von Objekten sondern von Sätzen (formale Redeweise
statt inhaltlicher Redesweise).
Carnap behält psychologistische Auffassung bei, indem er sie in die formale Redeweise einbezieht: Protokollsätze sollen sich "auf das Gegebene" beziehen, also unmittelbare Erlebnisinhalte und Phänomene beschreiben. Die Protokollsatzlehre ist in formale Redeweise übersetzter Psychologismus.
Protokollsätze müssen revidierbar sein, allerdings im
Rahmen eines Verfahrens, dass die Willkür der Streichungen einschränkt,
sonst wären empirische Sätze gegenüber anderen nicht mehr ausgezeichnet: der
empirische Gehalt einer Theorie geht verloren.
27) Objektivität der Basis
Es muss scharf zwischen der objektiven Wissenschaft und "unserem Wissen" unterschieden werden. "Unser Wissen" begründet nicht die Geltung von Sätzen.
Die Ansicht, Logik sei die Lehre von Gesetzen unseres Denkens, muss zurückgewiesen werden, da diese Ansicht auf Denknotwendigkeiten (in Form eines Zwanges) zurückgreifen muss.
Wissen hängt in jedem Falle mit Überzeugungserlebnissen zusammen, doch das spielt für den logischen Begründungszusammenhang keine Rolle.
Jeder empirisch-wissenschaftlicher Satz muss durch Angabe der
Versuchsanordnung etc. vorgelegt werden, so dass jeder, der die Technik des
Gebiets beherrscht, diesen prüfen kann. Eine Gegenbehauptung muss mit einer
Prüfungsanweisung angegeben werden.
28) Die Basissätze
Die Basissätze müssen so bestimmt werden, dass
Daraus ergibt sich, dass die logische Form der Basissätze so zu bestimmen ist, dass die Negation eines Basissatzes ihrerseits kein Basissatz sein kann.
Ein singulärer Es-gibt-Satz ist ein Satz der Form "An der Raum-Zeit-Stelle k ereignet sich der Vorgang x." Aus ihm geht durch Negation ein singulärer Es-gibt-nicht-Satz hervor: "An der Raum-Zeit-Stelle k ereignet sich nicht der Vorgang x."
Basissätze müssen die Form von singulären Es-gibt-Sätzen haben. Hierdurch sind 1. und 2. erfüllt, denn aus einem Allsatz (der äquivalen ist zu einem universellen Es-gibt-nicht-Satz) kann kein universeller Es-gibt-Satz deduziert werden, und aus jedem singulären Es-gibt-Satz kann durch Weglassung der Raum-Zeitbestimmung ein universeller Es-gibt-Satz deduziert werden.
Durch Konjunktion zweier einander nicht widersprechender Basissätze entsteht wieder ein Basissatz. Unter Umständen ist aber auch die Konjunktion eines Basissatzes mit einem beliebigen Satz entstehen (Bsp.: "An der Stelle k gibt es einen Zeiger" & "An der Stelle k gibt es keinen sich bewegenden Zeiger")
Basissätze müssen beobachtbare Vorgänge beschreiben. Sie müssen durch Beobachtung intersubjektiv nachprüfbar sein. Ein beobachtbare Vorgang soll als Bewegungsvorgang an (makroskopischen) physischen Körpern charakterisiert werden. (Beobachtungen, Wahrnehmungen mögen etwas Pyschologisches sein, nicht aber Beobachtbarkeit.) Basissätze behaupten also, dass sich in einem individuellen Raum-Zeit-Gebiet ein beobachtbarer Vorgang abspielt.
29)
Relativität der Basissäzte. Auflösung des Trilemmas
Jede Nachprüfung muss bei irgendwelchen Basissätzen haltmachen (diese werden dann als anerkannt ausgezeichnet). Aber es wird nicht gefordert, bei bestimmten ausgezeichneten Basisätzen stehenzubleiben, das Verfahren findet kein natürliches Ende, ein Prüfung findet immer nur ein vorläufiges Ende.
Es soll aber nicht bei den Basissätzen stehengeblieben werden, deren Nachprüfung umständlich und schwierig ist.
Das Friessche Trilemma hat nun an Kraft verloren, da
30) Theorie und
Experiment
Basissätze sind Festsetzungen durch Konvention. Hierzu ist es aber nicht erforderlich, zunächst Protokolle zu sammeln. Eine noch so reiche Sammlung an Protokollsätzen würde nicht zu einer Wissenschaft führen.
Festsetzung der Basissätze sowie Anwendung der Theorie ist ein durch Überlegung geleitetes planmäßigs Handeln.
Zusammenhänge zwischen unseren Erlebnissen lassen sich aus der Theorie deduzieren und erklären, damit lösen sich jene Fragen, warum etwa Tasteindrücke mit optischen Eindrücken übereinstimmen, welche für den Phänomenalisten unbeantwortet bleiben.
Theoretische Überlegungen beherrschen die experimentelle Arbeit von der Planung des Versuchs bis zu den letzten Handgriffen. Dies gilt sowohl dann, wenn ein vom Theoretiker vorausgesagter Effekt experimentell nachgewiesen wurde, als auch wenn eine experimentelle Falsifikation eine als bewährt anerkannte Theorie zur Modifikation zwingt.
Eine Theorie ist dadurch ausgezeichnet, dass sie sich im Wettbewerb mit anderen Theorien am besten behauptet.
Basissätze werden nicht durch unsere Erlebnissse begründet, sondern sind
willkürliche Festsetzungen. Die empirische Basis der objektiven Wissenschaft
ist nichts absolutes, sondern revidierbar.
* Zusatz (1968)
Die hier geschilderte Methode stellt einen robusten Realismus dar, und ist mit einem neuen undogmatischen, nicht-subjektiven Empirismus vereinbar. Die Idee der Erfahrung wird durch die der objektiven kritischen Prüfung ersetzt, die Idee der Erfahrbarkeit durch die der objektiven Prüfbarkeit. Basissätze sind in diesem Sinne objektiv kritisierbare Prüfsätze.
Beurteilung der Überprüfbarkeit einer Theorie ist für ihre Auswahl von
Bedeutung. Der Vergleich von Falsifizierbarkeitsgraden soll durch einen
Vergleich der Klassen der Falsifikationsmöglichkeiten
geschehen.
31) Veranschaulichung und Programm
Eine Theorie, deren Klasse der Falsifikationsmöglichkeiten "größer" ist, hat
mehr Gelegenheit, durch mögliche Erfahrung falsifiziert zu werden als eine
andere. Der empirische Gehalt einer Theorie wächst mit ihrem
Falsifizierbarkeitsgrad. Ziel der theoretischen Naturbeschreibung ist es,
möglichst leicht falsifizierbare Theorien aufzustellen.
32)
Wie können Klassen von Falsifikationsmöglichkeiten verglichen werden?
Klassen der Falsifizierbarkeitsmöglichkeiten sind unendliche Klassen. Aber
nicht nur die Klasse der verbotenen Ereignisse, sondern auch die Klasse der
verbotenen Vorgänge ist unendlich (denn die Konjuktion von Vorgängen ergibt
wieder einen Vorgang).
Zudem sind alle Klassen der Falsifikationsmöglichkeiten gleichmächtig, da jede Klasse von Sätzen abzählbar ist.
Der Dimensionsbegriff unterscheidet Klassen nach ihrem Reichtum an Nachbarschaftsbeziehungen. Der Komplexitätsgrad soll mit dem Dimensionsbegriff in Verbindung gebracht werden.
Mit dem Teilklassenverhältnis AÌB können
ebenfalls die Klassen der Falsifikationsmöglichkeiten verglichen werden,
allerdings nur unter der Bedingung, dass die zu vergleichenden Klassen
ineinander geschachtelt sind. Gilt dies für zwei Klassen nicht, so sind die
ihnen korrespondierenden Theorien inkommensurabel.
33)
Falsifizierbarkeitsvergleich mit Hilfe des Teilklassenverhältnisses
Vorläufige Definition:
Ein Satz x heißt "in höhrerem Grade falsifizierbar" oder "besser prüfbar" als der Satz y (Fsb(x)>Fsb(y)), wenn die Klasse der Falsifikationsmöglichkeiten von x die der Falsifikationsmöglichkeiten von y als echte Teilklasse enthält.
Sind die Klassen der Falsifikationsmöglichkeiten zweier Sätze x und y umfangsgleich, so haben beide denselben Falsifizierbarkeitsgrad (Fsb(x)=Fsb(y)).
Enthält von den Klassen der Falsifikationsmöglichkeiten zweier Sätze x und y keine Klasse die andere als Teilklasse, so ist der Falsifizierbarkeitsgrad der beiden Sätze "inkommensurabel" (Fsb(x)||Fsb(y)).
Restklassen A\B sind ebenfalls unendlich. Theorien können sich nicht das Verbot endlich vieler Ereignisse unterscheiden.
Der Falsifizierbarkeitsgrad von tautologischen und metaphysischen Sätzen
wird gleich Null gesetzt: Fsb(t)=Fsb(m)=0, der Falsifizierbarkeitsgrad von
Kontradiktionen wird gleich Eins gesetzt: Fsb(k)=1, somit gilt für
empirische Sätze e: 1=Fsb(k)>Fsb(e)>Fsb(t)=0.
34) Die Struktur der Teilklassenbeziehung. "Logische Wahrscheinlichkeit"
Ein Diagramm des Prüfbarkeitsvergeiches ist gerichteter Graph (Reihengeflecht), bei dem jeder Knoten mit einem Satz korrespondiert. Ein Pfeil geht genau dann von einem Knoten A zu einem Knoten B, wenn die Klasse der Falsifikationsmöglichkeiten von B in der Klasse der Falsifikationsmöglichkeiten von A enthalten ist.. Der gerichtete Graf ist total zusammenhängend im Knoten einer Kontradiktion und im Knoten einer Tautologie.
Es ist nicht möglich, allen Sätzen Zahlen zuzuordnen, sonst würden inkommensurable Sätze willkürlich kommensurabel gemacht.
Ein Satz, der in einem geringeren Grad falsifizierbar ist,
ist seiner logischen Form nach wahrscheinlicher. Diese
logische Wahrscheinlichkeit muss von der numerischen
Wahrscheinlichkeit in der Theorie der Zufallsspiele unterschieden werden.
35) "Empirischer Gehalt", Implikationsbeziehung, Falsifizierbarkeitsgrad
Der empirische Gehalt eines Satzes wird als die Klasse seiner Falsifikationsmöglichkeiten definiert.
Der logische Gehalt ist durch die Ableitungsregeln definiert. Der logische Gehalt von p ist größer oder gleich dem von q, wenn q aus p ableitbar ist. Sind p und q gegenseitig ableitbar, so sind sie gehaltgleich.
Der Vergleich des logischen und des empirischen Gehalts stimmen dann überein, wenn die verglichenen Sätze keine metaphysischen Bestandteile enthalten. Der Falsifizierbarkeitsvergleich soll wird sich deshalb weitgehend auf die Implikationsbeziehungen stützen.
Die synthetischen Sätze (einschließlich der nichtempirischen) liegen
aufgrund der Implikationsbeziehung zwischen den Kontradiktion und
Tautologie.
36) Allgemeinheit und Bestimmtheit
Auf die Forderung nach möglichst großem empirischen Gehalt können auch zurückgeführt werden die Forderungen nach möglichst großer:
Allgemeinheit: eine Aussage bezieht sich auf einen größeren Anwendungsbereich (Obst statt Äpfel). Ein Satz p ist von größerer Allgemeinheit als ein Satz q, wenn die bedingte Aussagefunktion von p (jpx) von der Folgeaussagefunktion von q (jqx)logisch impliziert wird, also (x)(jqx->jpx) tautologisch ist.
Bestimmtheit: eine Aussage ordnet dem Subjekt bestimmtere Prädikate zu (gehen statt fortbewegen). Ein Satz p ist von größerer Bestimmtheit als ein Satz q, wenn die bedingte Aussagefunktion von p (fpx) von der Folgeaussagefunktion von q (fqx)logisch impliziert wird, also (x)(fpx->fqx) tautologisch ist.
Größere Allgemeinheit und größere Bestimmtheit entspricht einem größeren
empirischen Gehalt. Die methodologische Forderung, nichts unerklärt zu
lassen, ist eine Konsequenz der Forderung nach Theorien von größtmöglicher
Allgemeinheit und Bestimmtheit.
37) Logische Spielräume
Die Teiklassenbeziehungen zwischen den Klassen der erlaubten Sätze zu denen zwischen den verbotenen Sätzen konvers. Die Klasse der erlaubten Basissätze heißt Spielraum des Satzes. Spielraum und empirischer Gehalt sind zueinander konvers.
Aus der methodologischen Forderung nach möglichst
strenger Prüfbarkeit der Theorien folgt die nach möglichster
Steigerung der Meßgenauigkeit: Physische Punkte können nur genähert
werden, sie können aber nicht koinzidieren. Daher wird eine Messung so
beschrieben, zwischen welchen Teilstrichen einer Skala der Zeiger
aufgefunden wird. Diese Teilstrich (Position und Breite) sind aber ebenfalls
nicht genau bestimmt, so dass man von Verdichtungsgrenzen
spricht.
38) Der Dimensionsvergleich
Frank: Sätze von großer Allgemeinheit gleiten ins Tautologische, wenn nicht ihre Randbedingungen durch eine kleine Zahl von Zustandsgrößen angegeben werden können.
Einem Satz kann im allgemeinen nicht angesehen werden, ob er komplex ist (also der Konjunktion einfacher Sätze äquivalen ist).
Vorschlag: Der Komplexitätsgrad aller Sätze kann dadurch vergleichbar
gemacht werden, dass eine gewisse Klasse von Elementarsätzen
ausgezeichnet wird, aus denen die übrigen durch mittels logischer
Operationen folgen sollen. Dies würde einen absoluten Nullpunkt der
Komplexität definieren.
Problem: Dieses Verfahren ist unzweckmäßig, da es den wissenschaftlichen
Sprachgebrauch behindert.
Lösung: Eine Klasse von relativ atomaren Sätzen wird in willkürlicher Weise
ausgezeichnet und der Komplexitätsgrad auf diese Klasse bezogen. Dies lässt
sich durch Aussagenfunktionen realisieren.
Alle Sätze, die mittels einer Aussagenfunktion durch Einsetzen von bestimmten Werten gewonnen werden, sollen als atomar definiert werden. Die Klasse dieser Sätze sowie aller aus ihnen bildbaren Konjunktionen bilden ein Feld. Ein Satz, der durch Konjunktion von n verschiedenen relativ atomaren Sätzen eines Feldes entsteht, wird n-Tupel des Feldes genannt, dessen Komplexitätsgrad ist n.
Gibt es zu einer Theorie t ein Feld von singulären Sätzen derart, dass t durch kein d-Tupel des Feldes, wohl aber durch gewisse d+1-Tupel falsifiziert werden kann, so ist d die charakteristische Zahl der Theorie in Bezug auf das Feld.
Die Dimension einer Theorie t ist die charakteristische
Zahl d dieser Theorie in bezug auf ein Anwendungsfeld. Die
Dimension einer Klasse muss größer oder gleich sein als die ihrer
Teilklassen.
39) Die Dimension einer Kurvenklasse
Das Anwendungsfeld einer Theorie kann unter Umständen mit dem Feld einer graphischen Darstellung dieser Theorie identifiziert werden.
Die Dimension der Kurvenklasse drückt sich in ihrer algebraischen
Darstellung in der Zahl der frei verfügbaren Parameter aus.
40) "Formale" und "materiale" Einengung der Dimension einer Kurvenklasse
Die Angabe eines Punktes einer Kurve vermindert die Dimension um 1.
Die Angabe eines besonderen Satzes (Punkt) entspricht einer zusätzlichen Randbedingung, wärhden der Übergang von einer Kurvenklasse zu einer Teilklasse (etwa von der Ellipse zum Kreis) einer Einengung der Dimension der Theorie selbst entspricht.
Diejenige Methode der Einengung der Dimension, bei der die "Form" der
Kurve nicht geändert wird (angabe von Punkten) heißt materiale
Einengung.
Diejenige Methode, bei der die "Form" der Kurve geändert wird, heißt
formale Einengung der Dimension.
Diese Unterscheidung ist nur schwer scharf zu fassen. Die Unterscheidung ist aber möglich und hängt mit dem Universalienproblem zusammen: Die materiale Einengung führt ein Individuale die formale ein Universale in die Definition der betreffenden Kurvenklasse ein.
Die Definition D1 einer Kurvenklasse heißt "gleich allgemein" (bzw. "allgemeiner") wiedie Definition D2 einer anderen Kurvenklasse, wenn sie gegenüber derselben (bzw. einer allgemeineren) Transformationsgruppe invariant ist wie diese.Jede Einengung der Dimension einer Kurvenklasse (im Vergleich zu einer andere heißt formal, wenn die Einengung die Allgemeinheit der Definition nicht verringert; sonst heißt sie material.
* Zusatz (1968)
Die Grade des empirischen Gehalts relativieren die Falsifizierbarkeit.
Wachstum des Wissens besteht im Wachstum des empirischen Gehalts.
* Zusatz (1971)
Bedeutung des Einfachheitsproblems ist umstritten. Lange zeit wurde der
Einfachheitsbegriff unkritisch angewendet.
41) Ausschaltung des ästhetisch-pragmatischen Einfachheitsbegriffes
Man sagt, ein mathematischer Beweis sei einfacher als ein anderer Beweis
bzw. mit einfacheren Mitteln zu führen. Diese Unterscheidung hat nur
außerlogischen (ästhetisch-pragmatischen) Charakter und ist
erkenntnistheoretisch uninteressant.
42) Das erkenntnistheoretische Einfachheitsproblem
Der erkenntnistheoretische Einfachheitsbegriff soll den Grad der Gesetzmäßigkeit messen.
Durch eine endliche Anzahl von Punkten lassen sich
unbegrenzt viele Kurven von verschiedenster Form legen. Induktionslogische
Frage: Welche dieser Kurven ist zu wählen? Häufige Antwort: die einfachste
Kurve. Warum aber soll etwa ein lineare Funktion einfacher sein als eine
quadratische? Vorläufige Antwort: weil es äußerst unwahrscneinlich wäre,
wenn etwa 20 Messpunkte zufällig auf einer angenährten Gerade lägen.
Forderung: Die Funktionenklasse darf nicht von so vielen Parametern
abhängen, als die Zahl der zu befriedigenden Beobachtungen beträgt.
43) Einfachheit und Falsifizierbarkeitsgrad
Der Einfachheitsbegriff soll mit dem Falsifizierbarkeitsgrad identifiziert werden.
Niedrigdimensionale Theorien sind leichter zu falsifizieren. Die Allgemeinheit und Bestimmtheit einer Theorie steigt mit ihrem Falsfizierbarkeitsgrad. Der Gesetzmäßigkeitsgrad einer Theorie wird mit ihrem Falsifizierbarkeitsgrad identifiziert.
Es bedarf keiner Annahme der Art eines Ökonomieprinzips. Einfache Sätze
sidn deshalb höher zu werten, weil ihr empirscher Gehalt größer ist.
44) "Geometrische Form" und "Funktionsform"
Ist ein Geset ein Satz über eine geometrsiche Form, so wird Invarianz gegenüber sämtlichen Transformationen der Bewegungsgruppe verlangt. Wird dagegen ein Gesetz durch einen Graphen dargestellt, so kommen bestimmte Transformationen wie Drehung, etc. gar nicht in Frage (die Achsen bezeichnen ja verschiedene Größen).
45) Die Einfachheit der
euklidischen Geometrie
Die Hypothese der Geltung einer euklidischen (Licht-)Geometrie ist in höherem Maße falsifizierbar als eine entsprechende Hypothese für eine bestimme nichteuklidische Geometrie.
Euklidische Gebilde können gegenüber mehr Transformationen invariant sein, also von niederer Dimension, d. h. einfacher sein.
46) Der Einfachheitsbegriff des Konventionalismus
Der Einfachheitsbegriff des Konventionalismus stimmt mit dem hier vorgestellten Begriff nicht überein. Jener erweist sich als ein ästhetisch-pragmatischer.
* Zusatz (1968)